Donnerstag, 2. März 2017

Abfahrt − F. Theodor Csokor

Ich werde euch heute mein erstes von fünf Gedichten vorstellen. Es wurde vom österreichischen Schrifftsteller Franz Theodor Csokor geschrieben und heisst "Abfahrt". Es stellt die erste Art meiner ausgewählten Abschiede dar, nämlich der Abschied am Bahnhof. In diesem Text steht der Abschied zwischen Mutter und Sohn im Vordergrund. Sie will ihn nicht gehen lassen, es ist aber zu spät für sie, ihn zurückzuholen.
Mir hat dieses Gedicht sehr gefallen, da ich selbst diese Situation auch kenne, wenn man dem Zug hinterherwinkt, bis man ihn nicht mehr sehen kann. Meine Eltern beispielsweise, haben das Selbe auch gemacht, wenn ich in ein Klassenlager oder auf eine Schulreise gefahren bin. 


Abfahrt

Der Bahnhof reisst den schwarzen Rachen auf;
Dampf schwimmt aus seinen Eisenkiefern.
Wie Zähne starren Züge, Hauf um Hauf
verpfercht ins Ungewisse hinzuliefern.

Da wogen Tiere; dort harrt unter Tuch
Tod vieler Fremder im Geschoss verborgen.
Bepackte Menschen, Weinen, leiser Fluch,
Prahlen und Rausch - vor einer Frage: Morgen?

Was metzgerwärts die gleichen Züge führen:
Gesang der Krieger und Gebrüll von Vieh,
im gleichen Wagen, hinter gleichen Türen,
mischt sich zu untrennbarer Melodie...

Fernher noch Pfiffe jammern, Felgen pochen;
das Kopfgewirr, das aus den Fenstern schwillt,
schrumpft mählich ein zu graugemützten Knochen,
indes der Tross der Seinen heimwärts quillt.

Nur eine Alte will nicht vom Perron;
sie sträubt sich, klammt verzweifelt am Geländer
und beisst und brüllt zu Gott nach ihrem Sohn!
Doch keine Blitze fallen in den Tender.

F. Theodor Csokor (1885-1969)


Autor
Der österreichische Schriftsteller F. Theodor Csokor wurde im September 1885 in Wien geboren und ist im Januar 1969 gestorben. Der Franz-Theodor-Csokor-Preis, ist ein Literauturpreis, welcher nach seinem Tod nach ihm benannt wurde.

Erstehungszeit
Es lässt sich nirgendwo die genaue Jahreszahl finden, wann dieses Gedicht entstanden ist. Es muss aber zwischen 1885 und 1969 geschrieben worden sein, da Csokor dann gelebt hat.

Grafische Darstellung
Das Gedicht besteht aus fünf Strophen zu vier Versen.  
Die Verse sind in Kreuzreime gegliedert (abab), wobei in Vers eins und Vers drei, der Strophe fünf ein unreiner Reim auftritt ("Perron" - "Sohn").

Metrum
In allen Strophen weisen die Verse einen Jambus auf. Jeweils sind die ersten und dritten Verse in einem fünfhebigen Jambus mit männlicher Kadenz, und die zweiten und vierten Verse in einem fünfhebigen Jambus mit weiblicher Kadenz verfasst.

Bildlichkeit
Wir finden eine Metapher im ersten Vers (Der Bahnhof reisst den schwarzen Rachen auf;). Der Rachen steht dafür, dass in ihm etwas "verschluckt" wird, was nicht mehr zurück kommt. Dieser Vers ist gleichzeitig auch noch eine Personifikation, da ein Bahnhof nichts aufreissen kann. Es ist nicht möglich, dass ein Bahnhof etwas aufreisst.

"Dampf schwimmt aus seinen Eisenkiefern", ist eine Personifikation der ersten Strophe im Vers zwei, da nur Lebewesen schwimmen können, Dampf nicht.

In der ersten Strophe weist der Vers drei einen Vergleich auf (Wie Zähne starren Züge, Hauf um Hauf). Wenn wir einen Bahnhof aufsuchen, befinden sich da meistens viele Züge, die auf den Gleisen stehen. Dies kann mit dem Öffnen des Mundes verglichen werden, wenn wir dann viele Zähne sehen, die sich im Mund befinden.

Die dritte Strophe weist ihm Vers eins eine Personifikationen auf (Fernher noch Pfiffe jammern, Felgen pochen;). Pfiffe können nicht reden, sie können also auch nicht jammern, wie wir Menschen.

Eine Metapher finden wir in der Strophe fünf, Vers vier (Doch keine Blitze fallen in den Tender). Es heisst, dass der Zug nicht gestoppt wird, weil irgendetwas die Dampflokomotive hindert, voran zu kommen. Der Sohn, der Alten, fährt also mit dem Zug weg und nichts hindert den Zug, nicht fahren zu können. 

Quelle:
Bachofner Ernst, Niederer Max, Vögeli Viktor
Gedichte, Zürich 1975, S. 317.
Wikipedia,
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Theodor_Csokor, 19.4.2017, 18.34 Uhr.
Stadt Wien,
https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Franz_Theodor_Csokor, 28.4.2017, 20.47 Uhr. 

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